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Hygienic Design als Produktionsfaktor

Hygiene ist in erster Linie eine Frage des Designs
Hygienic Design als Produktionsfaktor

Hygienic Design als Produktionsfaktor
Gewährleisten innen wie außen dauerhafte Korrosionsbeständigkeit: Prozessbehälter aus Edelstahl Rostfrei. Quelle: AMS Technology GmbH

Lebensmittelsicherheit garantieren, Hygienestandards erfüllen, Energieeffizienz erhöhen, Reinigungsabläufe vereinfachen und Stillstandzeiten verringern – mit diesen Vorteilen können Anlagen aufwarten, die nach dem Prinzip des Hygienic Design konzipiert sind. Denn die Verarbeitung und Herstellung von Lebensmitteln oder pharmazeutischen Produkten erfordert eine besondere Sensibilität. Deshalb hat der Gesetzgeber strenge Vorgaben, Richtlinien und Normen verfasst, die die Anforderungen grundlegend definieren. Konstrukteure und Produktionsverantwortliche sollten die „Basics“ kennen.

Der Begriff „Hygienic Design“ steht für die reinigungsgerechte Gestaltung von Maschinen, Anlagen und Komponenten, die in den hygienerelevanten Bereichen der Nahrungsmittel-, Getränke-, aber auch der chemischen und pharmazeutischen Industrie, der Kosmetikindustrie und der Biotechnologie zum Einsatz kommen. Bis zu 30 Prozent der „Leerlaufzeiten“ in derartigen Produktionsumgebungen gehen auf Reinigungs- und Instandhaltungsarbeiten zurück. Um diese Ausfallzeiten möglichst gering zu halten und die Hygienevorschriften zu erfüllen, muss das komplette Equipment in den Produktionsbetrieben einschlägige Standards erfüllen. Hier gilt es für die Hersteller viele Details zu berücksichtigen – angefangen von der Materialwahl, bis hin zu den einzelnen Systemkomponenten in Bearbeitungsmaschinen und Anlagen, Förderbändern oder Schaltschränken.

In der Produktion haben die Verantwortlichen auf unterschiedliche Bereiche zu achten: Dazu gehören zum Beispiel die Sparten Logistik und Prozessmanagement, aber auch hygienische Vorschriften. Besonders Letztgenanntes erweist sich in der Praxis als ein entscheidender Faktor – etwa bei der Herstellung von pharmazeutischen Erzeugnissen oder Lebensmitteln. Wichtig in den Produktionsstätten ist dabei nicht nur die korrekte Handhabung von Chemikalien und Reinigern, sondern auch die Beschaffenheit der Maschinen, Förderbänder, Rohrleitungen und Oberflächen. Sämtliche Ausstattung muss dabei entsprechend geplant, konzipiert und ausgeführt werden.

Im Umfeld des „Hygienic Design“ geht es in erster Linie um Prinzipien zur Vermeidung konstruktiver Schwachstellen, die hygienebezogene Gefährdungen begünstigen könnten. Als zentraler Punkt ist in diesem Kontext die unbeeinträchtigte Möglichkeit zur Reinigung der Materialien, Oberflächen und konstruktiven Elemente zu nennen. Denn Verschmutzungen aller Art dürfen sich nicht festsetzen oder dauerhaft verbleiben – im Gegenteil, sie müssen leicht entfernbar sein.

GPSG als juristische Grundlage

Wer nach der gesetzlichen Grundlage für das „Hygienic Design“ sucht, der sollte sich auf das Geräte- und Produktsicherheitsgesetz (GPSG) konzentrieren, das der europäischen Maschinenrichtlinie entspricht. Darin sind im Anhang auch die allgemeinen Anforderungen an die hygienische Konstruktion von Nahrungsmittelmaschinen enthalten.

Alle Bereiche in der Nahrungs- und Genussmittelindustrie stellen unterschiedliche Anforderungen an die Hygiene. Vom Gehäuse über die Stromverteilung bis hin zur Klimatisierung – alles muss zusammenpassen. Selbstverständlich macht auch die IT-Infrastruktur hier keine Ausnahme. Quelle: Rittal

Die Richtlinie selbst stellt Anforderungen, die sich auf Materialien (und auch auf den Materialmix), die generelle Reinigungsgewährleistung, auf Flächen, Verbindungen, das Ableiten von Flüssigkeiten, Kontaminationen und Betriebsstoffen sowie auf Hinweise in der Betriebsanleitung beziehen. Eine weitergehende Präzisierung dieser eher allgemein gehaltenen Vorgaben findet sich in der Norm DIN EN 1672-2:2009 „Nahrungsmittelmaschinen – Allgemeine Gestaltungsgrundsätze – Teil 2: Hygieneanforderungen“. Hilfreich ist diese Norm auch bei der hygienebezogenen Risikobeurteilung von Nahrungsmittelmaschinen, deren Durchführung und Ablauf in der Norm beschrieben sind.

Bei der Entscheidung, ob Hygieneanforderungen erfüllt sind, müssen prinzipiell der Stand der Technik und die technische Machbarkeit berücksichtigt werden. Dabei sollten die Verantwortlichen zwischen dem abwägen, was idealerweise möglich ist, und dem, was erforderlich und technisch umsetzbar ist (oder was sich in der Praxis bewährt hat). Als Leitlinie für diesen Aspekt hat sich ergeben: „So gut wie möglich, aber mindestens so gut wie nötig“.

Speziell bei Nahrungsmittelmaschinen lautet die Forderung, dass sie so konzipiert und gebaut sein müssen, dass das Risiko von Kreuzkontaminationen und Verkeimungen ausgeschlossen oder auf ein Mindestmaß herabgesetzt wird. Beispielsweise muss verhindert werden, dass Fremdstoffe wie etwa Metallschrauben, Plastikteile, Schmieröl oder Staub in Lebensmittel gelangen. Natürlich dürfen die Endprodukte auch nicht durch Keime verunreinigt sein. Würde beispielsweise ein „Fleischwolf“ im Schlachthof nicht korrekt gereinigt, könnten die Chargen ungenießbar werden und somit gar gesundheitsgefährdend sein.

Einsatzbeispiel Lebensmittelindustrie

Im Bereich der Lebensmittelindustrie ist vor allem die Norm DIN EN 1672-2 zu nennen. Sie befasst sich mit „Nahrungsmittelmaschinen – Allgemeine Gestaltungsleitsätze – Teil 2: Hygieneanforderungen“. Die Neuausgabe der Norm DIN EN 1672-2 wurde erforderlich, um die harmonisierte Europäische Norm EN 1672-2:2009 der aktualisierten Richtlinie für Maschinensicherheit 2006/42/EC anzupassen. Dazu wurde ein Anhang ZB aufgenommen, der den Bezug auf die neue Richtlinie herstellt.

Diese Norm hat die Zielsetzung, Gefährdungen für den Verbraucher von Lebensmitteln auszuschließen. Hierzu werden die Hygienerisiken benannt, die beim Einsatz von Nahrungsmittelmaschinen und durch den Verarbeitungsprozess entstehen. Des Weiteren geht es um die grundlegenden Gesichtspunkte der Gefährdungen für Lebensmittel, die durch Maschinen hervorgerufen werden. Aber auch Begriffe wie „Lebensmittelhygiene“, „Lebensmittelbereich“, „Spritzbereich“ und „Nichtlebensmittelbereich“ werden in der Norm definiert. Ergänzend werden außerdem signifikante Gefährdungen aufgelistet.

Zu den wichtigsten Anforderungen gehören die folgenden Punkte:
• Befinden sich Materialien im „Lebensmittelkontakt“, müssen sie den einschlägigen Rechtsvorschriften und Richtlinien genügen und sollten zudem leicht zu reinigen sein. Sie müssen inerte Substanzen sein, dürfen also nicht mit potenziellen „Reaktionspartnern“ reagieren. Sie dürfen nicht toxisch sein und müssen über ein bestimmtes Temperaturspektrum stabil bleiben. Zum Beispiel erfüllt der Werkstoff Edelstahl grundsätzlich derartige Anforderungen.
Flächen und ihre Verbindungen müssen glatt und ohne Rauigkeiten bzw. Vertiefungen sein. Denn organische Stoffe dürfen sich daran nicht festsetzen.
Verbindungen müssen so konzipiert sein, dass vorstehende Teile, Leisten oder versteckte Ecken minimiert werden. Die Anzahl der Verbindungen gilt es grundsätzlich zu minimieren. Zum Beispiel gibt es für Schweißnähte Qualitätskriterien, und auch die Dichtungen dürfen kein Hygienerisiko darstellen.
• Dem Thema der Reinigung fällt eine hohe Aufmerksamkeit zu. So müssen alle „produktführenden Bereiche“ leicht und gründlich zu reinigen sein. Hier ist unter Umständen auch das Abnehmen von Elementen – also von leicht zu demontierenden Teilen – nötig. Als einen „Totraum“ bezeichnet man einen schlecht zu reinigenden, nicht durchströmten Teil einer Anlage. Experten weisen darauf hin, dass derartige Toträume auch bei geringen Volumina zu einer massiven Kontamination des Produkts führen können.
• Von Lebensmitteln stammende Flüssigkeiten sowie Reinigungs– und Desinfektionsmittel müssen ungehindert abfließen können. Dieses Prinzip gilt nicht nur für Behälter und Rohrleitungen, sondern sollte auch horizontale Flächen im Spritzbereich und Umfeld einbeziehen.
Maschinen müssen so konstruiert und gebaut sein, dass für die zur Reinigung nicht zugänglichen Bereiche ein Eindringen von Flüssigkeiten und organischen Stoffen vermieden wird. Zudem dürfen Lebensmittel nicht mit Hilfs- und Betriebsstoffen wie Schmiermitteln kontaminiert werden.

Kosten und Image

Gelangen im schlimmsten Fall Rattenkot und Schimmelsporen in nennenswerten Anteilen in Backwaren, bleibt eine negative Berichterstattung in den Medien, wie in der Vergangenheit schon geschehen, nicht aus. Dabei kann das Ansehen der betroffenen Firma stark beschädigt werden.. Aber auch im Pharmabereich kommt es einem Todesurteil gleich, wenn vermeintlich „saubere“ Rohstoffe, wie etwa Ultra-Reinwasser, mit bestimmten Mikroorganismen nachträglich verunreinigt werden – etwa beim Abfüllen in Transportbehälter.

Neben der Reduzierung massiver finanzieller Schäden, die entstehen, wenn produzierte Ware nicht verkauft werden kann oder es zu Rückrufen kommt, bietet der Bereich „vereinfachte Reinigungsabläufe“ ein großes Einsparpotenzial. Indem ein Unternehmen die Stillstandzeiten in der Produktion verringert, die bei Reinigungsvorgängen notgedrungen anfallen, erhöht sich die Effizienz der kompletten Anlage.
Wer sich mit dem Hygienic Design

für die Lebensmittelsicherheit auseinanderzusetzen hat, für den sind die folgenden Europäischen Normen und Richtlinien interessant:

• EN 1672-2:2009 Nahrungsmittelmaschinen/Allgemeine Gestaltungsleitsätze/Teil 2: Hygieneanforderungen
• EN ISO 14 159:2008 Sicherheit von Maschinen – Hygieneanforderungen an die Gestaltung von Maschinen
• EN 16 001 Energiemanagement zur Verbesserung der Energieeffizienz
• Maschinenrichtlinie 2006/42/EG
• Dokument 13 EHEDG Guideline Hygienic, Design von Apparaten für offene Prozesse, das in Zusammenarbeit mit 3-A und NSF International erstellt wurde
• Verordnung 1935/2004 (hier gibt es mittlerweile mehrere Verordnungen über Materialien und Gegenstände, die dazu bestimmt sind, mit Lebensmitteln in Berührung zu kommen.

Fazit

Um sauberes und gut zu reinigendes Equipment in Produktionsumgebungen sicherzustellen, müssen die Vorgaben zum Thema „Hygienic Design“ genau eingehalten werden. Dazu stellen unterschiedliche Firmen ihr Fachwissen bereit, und auch Institutionen, wie etwa das Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA, sind gute Anlaufstellen zu diesem Thema.

Aber auch bei den elektrischen Komponenten sowie den Steuerungsanlagen und der IT-Umgebung im Produktionsbetrieb ist auf die Grundsätze des „Hygienic Design“ zu achten. So sind zum Beispiel auch spezielle hygieneoptimierte Schaltschränke Pflicht, in die keine Fremdkörper oder Partikel der End- oder Zwischenprodukte eindringen können – und bei denen es zu keinen Emissionen kommen kann.

Generell sind zum „Hygienic Design“ unterschiedliche Vorgaben, Bestimmungen und Voraussetzungen verfügbar. Die folgende Auflistung nennt die wesentlichen Institutionen:
• EHEDG (European Hygienic Engineering and Design Group)
• FDA (Food and Drug Administration)
• GMP (Good Manufacturing Practice)
• ISPE (International Society for Pharmaceutical Engineering)
• ISO (Internationale Organisation für Normung) und
• DIN (Deutsches Institut für Normung)
• DGUV (Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung)
• AMI (North American Meat Institute)

Rainer Huttenloher, Fachredakteur

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